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Der folgende Artikel über den Computer-Club erschien in der
April-Ausgabe 1998 der Zeitschrift
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Der Computer ist ein Universum
Im Keller des Philosophischen Instituts werden Mensch und Maschine eins.
Der Computer ist ein Universum und das Universum ist ein Computer.
Informationseingabe, -verarbeitung, -speicherung und -ausgabe. Und
mittendrin der Mensch, wir, ich, der letztlich nur ein Teil des Universums,
des Computers ist, der kaum etwas anderes macht, als sich Informationen
einzugeben, sie zu verarbeiten, sie in irgendwelchen Hirnlappen oder auf
Notizzetteln abzuspeichern und dies Informationen zu passender oder
unpassender Gelegenheit wieder auszugeben. Gut, hin und wieder nimmt der
Mensch ein wenig Nahrung zu sich, trinkt ein Schlückchen, und wenn es ihm
so richtig gut geht, hat er einen Partner, über den er bei gegenseitigem
Einvernehmen zur Steigerung sexueller Lust herfallen kann.
Diese sinnlichen Zeilen haben natürlich wenig mit Computertechnik zu tun,
aber dafür viel mehr mit einer philosophischen Betrachtungsweise eines
Gerätes, das heute kaum noch vom Schreibtisch des Studenten wegzudenken ist.
Wie konnte ich die Welt je ohne dieses geliebte Teufelszeug drehen, und wie
haben all die studentischen Generationen vor mir wohl ihre Haus- und
Diplomarbeiten angefertigt? Etwa mit dem Füller? Mit der Schreibmaschine und
Tipp-Ex? Wahnsinn!
Institut für technische Philosophie
Sie nennen sich scherzhaft "Institut für technische Philosophie", aber je
länger sich die Ideen und Betrachtungsweisen der Computer-Clubler im Ohr des
Unwissenden festsetzen, desto deutlicher wird deren wahre philosophische
Dimension. Nicht in den strahlenden Neubauten der Uni Aachen sitzen sie,
sondern der Weg zu ihnen führt über einen schlecht beleuchteten Parkplatz in
einen mächtigen Backsteinbau, der schon bessere Zeiten gesehen hat.
Hintereingang, dann die erste Tür gleich rechts, die ausgetretene Treppe
runter. Ironischerweise im Keller des Philosophischen Instituts hat der
Computerclub der Hochschule seine Monitore aufgestellt.
"Hier unten verliert man jede Ehrfurcht vor den Kisten", erklärt der
Vorsitzende Klaus Schönhoff. Er hat recht. Bis an die gewölbte Decke stapeln
sich Gehäuse, Monitore und Festplatten, von denen viele aus dem
Jungpaläolithikum des Computerzeitalters stammen, also sagen wir mal: Mitte
der achtziger Jahre. Der Kaffee köchelt - kein Scherz! - auf einem
umgebauten 386er-Prozessor langsam vor sich hin, und im Nachbarzimmer wird
gerade renoviert. Viel Staub liegt in der Luft. Aber Platz muß her, die
Computerräume platzen aus allen Nähten. Nichts von staubfreier, klinischer
Sterilität, der Computer ist ein Arbeitsgerät und muß das aushalten. Vor
allem vom technischen Fortschritt überholte Rechner aus den Instituten der
Hochschule sind das Schlachtfeld der Clubmitglieder. Jede Auseinandersetzung
mit der datenverarbeitenden Einheit ist "der Kampf mit und gegen die
Maschine", sagt Klaus Schönhoff. Eine Überlebensphilosophie, die noch aus
den Gründungstagen des Clubs stammt. Damals, im Januar 1980 waren die wenigen
Computerbesitzer einsame Menschen. Zwangsläufig wurden aus ihnen Freaks.
"Entweder", so Klaus Schönhoff, "wurde der Computer nach einer Woche
weggeworfen, oder man wurde von selbst zum Spezialisten."
Aus der Not der frühen Jahre ist sportlicher Ehrgeiz geworden. Die
Technik ist den Computer-Clublern - vor allem Elektrotechniker, Physiker,
Maschinenbauer und Informatiker (deutlich unter zehn Prozent sind Frauen) -
geläufig, sie haben andere Ziele. Andreas Könsgen will Möglichkeiten
ausloten, "die persönlichen und die des Gerätes". Jan-Flemming Reich läßt
dagegen die Idee nicht los, "dem Gerät immer mehr beizubringen, es zu
optimieren." Der Drang, sich mit seinem technischen Wissen mal richtig
austoben zu können, hat in der verwissenschaftlichen Ausbildung der RWTH
nach Ansicht der Clubmitglieder keinen Platz. "Vielen Professoren ist es
doch peinlich, daß ihre Fachrichtung auch eine praktische Anwendung hat",
kritisiert Jan-Flemming Reich. Der Computer, das Universum und der Mensch:
Aus der technischen Faszination des Machbaren wird im Computerclub der RWTH
Aachen die Philosophie des Möglichen.
Läßt sich der unbedarfte Betrachter davon gefangen nehmen, so dringt der
Computer in die menschliche Dimension vor.
Das Universum ist verhangen. Pech gehabt.
"Der Computer verlangt, daß man sich mit ihm beschäftigt", dringt es an des
Textverarbeiters Ohr. Der Satz "Der Computer ist frei" wird vom Kleinhirn
fast willenlos zur Kenntnis genommen, der Spruch "Je komplizierter, desto
höher der Fehlergrad" tröstet zwar, gilt aber irgendwie auch beim Menschen.
Waren es Menschen, die das sagten, oder war es bereits der Sprachcomputer?
"Das wirklich Faszinierende am Computer ist, daß er das Versprechen der
Verbesserung in sich trägt, daß hinter all den Platinen die Idee des
Universalinstruments steckt", erklärt die menschliche Stimme von Klaus
Schönhoff. Sokrates, Leonardo da Vinci, Leibnitz, Butterkeks, Heidegger und
Bill Gates - neue philosophische Dimensionen im Keller des Philosophischen
Instituts.
Benommen torkelt der Autor die ausgetretenen Stufen hinauf auf den
schlecht beleuchteten Parkplatz. Irgendeine gnädige Seele ruft noch die
Antwort auf die letzte Frage hinterher. "Der Unterschied zwischen einem
Fernseher und einem Computer ist doch klar. Oder wann ist dein Computer zum
letzten Mal abgestürzt?" Gute Frage, keine Antwort, der Blick ins Universum
ist durch Regenwolken verhangen. Pech gehabt.
Burghard Schnödewind
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Ins Web gestellt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
Last modified: Sun 03 Nov 2002 19:34:12 by Michael Schwingen
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